Betreutes Wohnen ist nicht gleich Betreubares Wohnen

Wenn Sie in Österreich leben, haben Sie sicherlich schon einmal den Begriff „Betreubares Wohnen“ gehört. Doch was ist Betreubares Wohnen eigentlich, was beinhaltet es und wo liegen die Unterschiede zum Betreuten Wohnen? Experten-Glühbirne SiLi nimmt den Praxiskommentar zur ÖNORM CEN/TS 16118 auszugsweise genauer unter die Lupe:

Obwohl sie namentlich ähnlich klingen, unterscheiden sich Betreutes Wohnen und Betreubares Wohnen mitunter gravierend voneinander. Das Grundkonzept des Betreuten Wohnens wendet sich an ältere Menschen, die grundsätzlich autonom/selbständig in einer barrierefreien Wohnhausanlage leben können, jedoch Sicherheit und Unterstützung im Anlassfall vorhanden wissen wollen.

Betreutes Wohnen für Seniorinnen und Senioren ist selbstbestimmtes Wohnen für Einzelpersonen oder Paare mit integriertem Betreuungsangebot. Merkmale des Betreuten Wohnens sind neben altersgerechten Wohnungen die soziale Alltagsbegleitung durch eine Betreuungskraft, Kontakt und Geselligkeit in einer Hausgemeinschaft sowie die Absicherung für Not- und Bedarfsfälle. Weitere Voraussetzung ist ein verbindliches Betreuungskonzept, was unter anderem bedeutet, dass fachlich geeignete Personen in einem bestimmten, vorher festgelegten, Zeitausmaß als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Das Betreute Wohnen umfasst ein Grundleistungsangebot (die Organisation und Vermittlung bestimmter Dienstleistungen), die Erbringung von weitergehenden sozialen und wirtschaftlichen Diensten ist darin nicht inkludiert, sondern wird nach Bedarf zugekauft. Für ältere Menschen resultiert aus dieser Wohnform die Möglichkeit in häuslicher, privater Atmosphäre – eingebunden in die familiäre Struktur einer Wohngemeinschaft, aber trotzdem im eigenen Wohnraum mit vertrautem eigenen Mobiliar – selbstbestimmt und selbständig zu leben. Betreutes Wohnen unterliegt den strengen Qualitätsanforderungen der ÖNORM CEN/TS 16118 Betreutes Wohnen für ältere Menschen.

Der Terminus „Betreubares Wohnen“ ist ein österreichisches Spezifikum und findet sich sonst nirgendwo im deutschsprachigen Raum. Weit verbreitet ist das Betreubare Wohnen im Bundesland Oberösterreich, wo es seit 1997 vom Land gefördert wird. Die oberösterreichische Wohn- und Betreuungsform unterscheidet sich in keinem wesentlichen Punkt von den grundsätzlichen Kriterien des „Betreuten Wohnens“ für ältere Menschen. Es handelt sich lediglich um unterschiedliche Begrifflichkeiten, die mit Einführung der ÖNORM CEN/TS 16118 der Vergangenheit angehören sollten.

Demgegenüber verfolgt das „Betreubare Wohnen“ in der Steiermark das Ziel, eine selbständige Lebensweise im Alter dadurch zu ermöglichen, dass eine seniorengerecht gebaute und eingerichtete Wohnung kombiniert wird mit einem ambulanten Betreuungsangebot durch Mobile Dienste. Gemeinschaftsräume, Service- und Anlaufstellen für alte Menschen finden sich bei diesem Modell allerdings ebenso wenig wie ein obligatorisches Grundleistungspaket oder optionale Wahlservices. Es handelt sich also um kleine Wohnungen mit barrierefreiem Zugang und rollstuhlgerechter Ausstattung. Die Betreuung ist dabei als eigenes „Leistungspaket“ definiert, zu dem der Zugang zwar erleichtert wird, das bei Bedarf aber zugekauft werden muss. Diese spezielle Wohnform für ältere Menschen, für die es auch nach der Publikation der ÖNORM CEN/TS 16118 keine Reglementierung und damit keine Qualitätsrichtlinien gibt, bestand und besteht neben dem Konzept des „Betreuten Wohnens“ und kann definitiv nicht unter „Betreutes Wohnen“ subsumiert werden.

Quelle: Lutz, Michael; Eichinger, Walter; Hastedt, Ingrid: Betreutes Wohnen für Senioren – die ÖNORM CEN / TS 16118. Praxiskommentar.

Den Praxiskommentar als eBook bestellen